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Gefahr für die Versammlungsfreiheit

OVG Niedersachsen bedroht das Versammlungsrecht

Von Rechtsanwalt Ralf Ludwig

Zum dritten Mal in diesem Sommer musste das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht über eine Versammlung am Nikolaiort in Osnabrück entscheiden. Nun liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Im Namen des Anmelders habe ich dort Verfassungsbeschwerde eingelegt und zugleich einen Eilantrag nach § 32 BVerfGG gestellt.

Worum geht es?

Seit über zwei Jahren führt mein Mandant regelmäßig Kundgebungen in der Osnabrücker Innenstadt durch. Während städtische Großveranstaltungen wie der „Tag der Niedersachsen“ mit Musikpegeln von über 85 dB(A) stattfanden, wurde seine politische Versammlung seit Juni plötzlich mit besonders strengen Auflagen belegt.

Im Mittelpunkt steht die Verpflichtung, die Lautsprecheranlage durch einen sogenannten Limiter technisch zu begrenzen und diesen von der Behörde versiegeln zu lassen.

Was ist ein Limiter – und warum ist er problematisch?

Ein Limiter ist ein Gerät, das den elektrischen Pegel einer Beschallungsanlage beschneidet, sobald ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird. Wichtig:

  • Er misst nicht die tatsächliche Lautstärke im Raum.
  • Er hat keinen Bezug zu Abstand, Publikumsdichte oder Umgebungsgeräuschen.

Damit kann er die geforderten 70 dB(A) am Messpunkt überhaupt nicht garantieren. Dennoch sollen Veranstalter ein solches Gerät anschaffen – Kostenpunkt: weit über tausend Euro.

Professionelle Konzertveranstalter arbeiten teilweise mit solchen Systemen. Doch für kleine politische Kundgebungen bedeutet diese Pflicht faktisch ein Verbot. Denn ohne Limiter darf die Versammlung nicht stattfinden.

Der Weg durch die Instanzen

  • 28. Juni 2025: Erste Kundgebung, von der Stadt komplett verboten. Die Gerichte bestätigten das Verbot.
  • 12. Juli 2025: Zweite Kundgebung. Das OVG hob das Verbot auf, ordnete aber die 70-dB(A)-Grenze und den Limiter an. Der Veranstalter musste die Versammlung absagen.
  • 13. September 2025: Dritte Kundgebung. Trotz Kooperationsangeboten des Anmelders wieder dieselben Auflagen. Das OVG lockerte zwar einzelne Punkte, bestätigte jedoch erneut die Pflicht zum Limiter.

Verfassungsrechtliche Bedeutung

Die Verfassungsbeschwerde stützt sich im Kern auf drei Punkte:

  • Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit): Die Pflicht zum Limiter beschränkt die Durchführung einer politischen Versammlung unverhältnismäßig.
  • Bestimmtheitsgebot: Die Auflage ist technisch unklar, praktisch nicht erfüllbar und deshalb rechtlich unbestimmt.
  • Art. 3 GG (Gleichbehandlung): Politische Versammlungen werden strenger behandelt als kommerzielle Feste, die mit deutlich höheren Lärmwerten stattfinden dürfen.

Das Bundesverfassungsgericht muss nun klären, ob eine Kommune Bürger überhaupt verpflichten darf, ein technisches Spezialgerät einzusetzen, das noch nicht einmal geeignet ist, den geforderten Wert sicherzustellen.

Dringlichkeit

Da die Versammlung für den Tag der Verfassungsbeschwerde angemeldet war, habe ich zugleich einen Eilantrag gestellt. Politische Kundgebungen sind immer zeitgebunden. Wird eine Versammlung durch solche Auflagen verhindert, ist das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit irreparabel verletzt.

Dieser Fall geht weit über Osnabrück hinaus. Er betrifft die Grundfrage, wie frei Bürgerinnen und Bürger in Deutschland ihr Versammlungsrecht noch wahrnehmen können – ohne von technischen Hürden und damit faktischen Verboten ausgebremst zu werden.

Materialien:
Verfassungsbeschwerde
Beschluss des OVG Niedersachsen vom 12.09.2025, Az. 14 ME 3/25
Beschluss Bundesverfassungsgericht vom 13.09.2025, Az. 1 BvR 1889/25
Pressemitteilung Kanzlei Ralf Ludwig

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Bild von Udo Pohlmann auf Pixabay

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